FDP – die unnötige Partei

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Spätestens in der Frühlingssession ist es allen aufgefallen: die FDP hat die Kurve nicht gekratzt. Nach der schallenden Ohrfeige bei den letzten Wahlen wäre eine klare Profilierung nötig gewesen, um das Ruder herumzureissen. Statt dessen trudelt die Partei im Sturzflug auf den Abgrund zu.

Vielleicht liegt es am alles überschattenden Thema Corona, das die FDP total überfordert. Statt eine konstruktive, aufgeklärte und meinetwegen Massnahmen-kritische Position zu verfolgen, torkelt sie dem populistischen Gekreisch der SVP nach und verliert sich in Hüh-und-Hottismus und einer hysterischen Kritik an der Exekutive. Dabei ist sie selber im Bundesrat krass überrepräsentiert. Jüngster Höhepunkt dieser Komödie war der schrille Schrei nach einer PUK aufgrund eines unsorgfältig recherchierten Artikels in einer linken Tageszeitung – ja, da hat die FDP in der Tat den Ton angegeben.

Vielleicht liegt es ja auch – so die These der NZZ – am globalen Gegenwind gegen liberale Ideen. Autokratische Populisten, die Fragmentierung der Welt nach dem Ende der Pax Americana und protektionistische Tendenzen in den Wirtschaftsblöcken nehmen die liberalen Grundwerte in die Zange. Allerdings zweifle ich daran, dass diese internationalen Faktoren im Gallier-Dorf Schweiz wirklich eine Rolle spielen.

Das Grundproblem der FDP liegt vielmehr darin, dass sie keine Antworten hat für die Themen, welche die Schweiz beschäftigen. In den Positionspapieren der Partei wird immer wieder das Mantra „mehr Freiheit, weniger Staat“ wiederholt. Aber in der konkreten Sachpolitik schafft es die FDP nicht, daraus funktionierenden Lösungen abzuleiten. Gesundheitspolitik, Umweltpolitik, Ausländer, oder die diversen Knackpunkte in der Beziehung zur EU – nirgends in diesen Topthemen des Sorgenbarometers kann die Partei mit kohärenten Positionen punkten. Statt dessen eiert sie irgendwo mit sowohl-als-auch herum und hofft, dass die unsichtbare Hand alle Probleme einfach wegzaubert. Bloss in der Finanzpolitik (inklusive Finanzierung der AHV) verfolgt sie eine gerade Linie – immerhin das Verständnis buchhalterischer Sachzwänge lässt sich der FDP attestieren.

Ihre Perspektivlosigkeit widerspiegelt auch ein Personalproblem: es fehlt der Partei an intellektuellen Schwergewichten. War sie noch vor ein paar Jahrzehnten der Treffpunkt der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Elite (zuerst Militärkarriere, dann zur FDP…), hat sich diese Elite inzwischen in internationalisierter Selbstoptimierung verflüchtigt. Und die verbleibenden Opportunisten sind in Scharen zur SVP übergelaufen. Selbst die NZZ als ehemalige Hofnachrichten hat diese Abwanderung mitgemacht und orientiert sich darüber hinaus an den publizistisch heimatlosen AfD Wählern. Was bleibt, ist eine Parteileitung, die Themenführerschaft mit Marktumfragen verwechselt.

Im Kern war die FDP schon immer – ja, schon zu Alfred Escher’s Zeiten – keine liberale sondern lediglich eine wirtschaftsliberale Partei. Im Kalten Krieg mag das keinem aufgefallen sein. Aber heute drehen viele Problem genau um diesen Konflikt zwischen unregulierter Wirtschaft und individueller Freiheit: Datenschutz gegenüber Grossunternehmen, selbstbestimmte Work-Life-Balance vs Sachzwängen internationaler Konkurrenzfähigkeit, wachsende wirtschaftliche Ungleichheit vs. gleiche Startbedingungen, urbaner Lebensraum für die Menschen vs freie Fahrt für freie Bürger etc. etc. Als „freisinnige“ Partei müsste die FDP ja das politische Kompetenzzentrum für solche Fragen sein. Aber der unreflektierte Freiheitsbegriff der FDP reduziert sich auf die ungebändigte unternehmerische Freiheit und den Kampf gegen das Strassenverkehrsgesetz. Darum hat sie die intellektuelle Themenführerschaft zu Fragen des real existierenden Liberalismus schon lange an die GLP abgegeben.

Nun degradiert sich die FDP gerade zum Junior-Partner der SVP – wirtschaftsliberal, aber sonst national-konservativ. Gössi hat das Problem zwar erkannt, ihr Versuch zu einer Neuausrichtung ist jedoch offensichtlich gescheitert. Kein Wunder, bereitet sie ihren Abgang vor. Dass ihre eigenen Leute in zentralen Fragen der sanft renovierten Parteilinie nicht folgen, hat sich jüngst beim unsäglichen Kuhhandel zur Agrarpolitik gezeigt. Wer also FDP wählt, kann bei den nächsten Wahlen also getrost gleich Liste 1 einlegen. Und die wenigen FDPler, die eine wirklich liberale Politik möchten, werden irgendwann zur GLP überlaufen. Die FDP ist nicht mehr nötig.